Der ultimative Kolonnen-Thread
Unterschiedliche Kolonnentypen und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile aus meiner unerheblichen Sicht.
Wer hier weiterliest oder schreibt, sollte das Grundprinzip der Rektifikation begriffen haben und mit dem Begriff HETP, Reflux und Packungsmaterial etwas anfangen können... Vielleicht bekommen wir ja so etwas wie den ultimativen Kolonnenthread hin? Oder eine schöne Linksammlung?
1. Kolonnendimensionierung
Die Berechnung erfolgt anhand der Van-Deemter Formel, wobei Länge, Durchmesser, Heizleistung und die Oberfläche des jeweils verwendeten Packungsmaterials Haupteinflussfaktoren sind. Der bis dato beste von mir gefundene Link zu einem Berechnungstool findet sich hier:
http://homedistiller.org/calcs/hetp_calc
Ein grafisch animierter Link für Einsteiger findet sich hier:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/7/tc/rektifikation/praktikum/rektifikation_praktikum.vlu/Page/vsc/de/ch/7/tc/rektifikation/praktikum/einfuehrung/kolonne.vscml.html
Grundsätzlich lässt sich sagen: Hohe Durchmesser bringen hohe Volumen/Zeit-werte, Hohe Längen bringen hohe Konzentrationen. Ab ca 10 HETP ist aber eine Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben. Die Brennblase wird immer als die erste theoretische Platte angesehen. Reflektionsbedampfte Vakuummantelkolonnen sind ultimo ratio, isoliertes Glas, Glas, isoliertes Edelstahl oder Kupfer oder gar keine Isolation gehen in absteigender Reihenfolge auch. Je geringer der K-Wert (Isolation), desto höher der Energieverlust aufgrund von Strahlung und Konvektion, desto geringer die Effizienz, desto gepresster die HETP. Kolonnen sind bei gewünschten hohen Prozenten IMMER wirtschaftlicher als mehrmaliges hintereinander destillieren mit einfachen Pot-Stills. Aktiver Reflux macht die Kolonne erst richtig interessant, dabei liegt das angestrebte Verhältnis von Reflux zu abgezogenem Volumen bei ca. 1:7 bis 1:10. Geringere Werte gehen natürlich, bringen Hybridergebnisse. Die Refluxeinheit sollte so dimensioniert werden, dass sie allen Dampf, den das Heizelement liefert, niederhauen kann. Zum Equilibrieren wichtig! Der Reflux muss mittig in die verwendete Packung einfließen, da er sonst innen an der Kolonnenwand unter Umgehung der Packung abfließt und nicht die max. Rektifikation erfahren kann. Dies gilt nicht bei Glockenböden oder Sieb/Plattenböden, aus offensichtlichen Gründen. Dazu nachher mehr. Es ist IMMER eine geeignete Druckentlastung vorzusehen, vor allem
bei Vapor-management (VM) und Liquid-Management (LM) Systemen. Coolant-management-Systeme sind konstruktionsbedingt offen. Offen heißt, dass auch eine eventuell benutzte Vorlage vor dem "U" belüftet sein muss! Kolonnen können bei Refluxerhöhung im Druck NEGATIV werden, wenn der Dampf kollabiert. Das saugt mächtig! Dies gilt
übrigens genauso für den Produktkondenser, so denn keine LM. Die Packungsdichte sollte nicht zu hoch sein, das erhöht den Srömungswiderstand, das Unfallrisiko und verschiebt das Siedediagramm. Kolonnen sollten nicht durch sie quer durchgeführte Leitungen in Ihrer Thermodynamik gestört werden. Zumindest nicht im effektiven Packungsbereich.
2. Materialien
2.1 Glas
Die Vorteile:
Glas ist Inert, keine Reaktion mit dem Destillat, Hitzestabil (Borosilikat ist natürlich TOP) und man hat einen direkten Blick auf die Action. Besser als Fernsehen!
Ein Reinigungsbedarf (Beispielsweise Kupfersulfatniederschlag an der Kupferrefluxspule, hübsch blau, bei geschwefeltem Wein oder Böckser-Maischen) oder Überkochen kann sofort erkannt werden. Der Wärmeleitwert von Glas ist gering, das ist energiesparend und gut für die HETP bei virtuellen Platten. Keine Oxidbildung, die Reinigung gestaltet sich einfach. Ersatzröhren für Gasgartenkamine bieten sich von den Dimensionierungen her an.
Die Nachteile:
Glas ist fragil, wer hätte das gedacht... und das kann beim Reinigen oder Anstoßen leicht passieren. Im Betrieb der SuperGAU! Glas ist schwer. Glas ist umständlich zu bearbeiten, man braucht geeignetes Werkzeug oder Hilfe von einem Glaser oder Glasbläser, der sein Handwerk versteht. Gute Planung kann das Problem umgehen. Glas kann, muss nicht, teuer sein. Prinzipiell sind Glasröhren im Netz aber in jeder Dimension leicht aufzutreiben. Glas hat einen unterschiedlichen Wärmedehnungskoeffizienten als weitere verwendete Materialien. Das erschwert die Dichtung und kann, wenn die Glasröhren in Flansche eingespannt sind, zum Spannungsbruch beim Hochheizen führen. Also Spannfedern einplanen! Oder dickere Dichtungen/Dehnungsfugen! Glas entfernt im Betrieb keine Schwefelverbindungen wie Kupfer.
2.2 Kupfer
Die Vorteile:
Kupfer ist überall in Rohren oder als Blech verfügbar. Kupferverschweisste (Seamless) Regenfallrohre in 7 oder 10 cm bieten sich an, Die Verarbeitung gestaltet sich einfach. Kupfer IMMER mit bleifreiem Sanitärlot löten, Silberhartlot ist noch besser, wer´s denn kann. Bei Hartlot sind viel höhere Temperaturen notwendig. Kupfer entfernt Sulfate durch Kupfersulfatbildung. Dünne 0,6er Fallrohre sind leicht. Bei Kupfer lässt sich das Design leicht anpassen/verändern. Kupfer ist hübsch, poliert oder mit Patina.
Die Nachteile:
Kupfer ist zur Zeit auch nicht gerade billig. Dicke Wandstärken sind schwer. Kupfer hat einen hohen Wärmeleitwert, es sollte also isoliert werden. Kupfer ist undurchsichtig, mit Aufwand lassen sich jedoch Sichtfenster/Schaugläser einarbeiten. Kupfer muss häufiger gereinigt werden. Kupfer ist nicht ganz unempfindlich gegen
Korrosion, vor allem in Verbindung mit Eisen oder mit in geringen Mengen im Dampf immer vorhandenen Säuren. Auch Edelstahltopfschrubber als Packung sollen mit der Kupferwand der Kolonne reagieren, elektrische Korrosion.
2.3 Edelstahl, meist V2A (18/10 bzw. AISI 304, bzw. X5CrNi18-10) oder V4A, andere Legierungen möglich
Die Vorteile:
Super Zeugs, je nach Legierung sehr inert/resistent. In allen Dimensionen frei verfügbar. Hübsch. Hält 10 Generationen. Minimum. Hat einen schlechten Wärmeleitwert, gut für Kolonnen. Div. Fittinge fertig verfügbar. Als Gewinderohre zu beziehen.
Die Nachteile:
Teuer! Mit normalem Elektroden-billig-Schweißgerät nicht zu verarbeiten. Nicht, oder nur sehr, sehr schwer und mit geeignetem Flussmittel weichzulöten, je nach Legierung und Oberflächenveredlung/Passivierung. V4A enthält Molybdän, das lehnen Puristen ab.
2.4 Alle anderen Materialien
Keramik würde vielleicht gehen, gibt es aber meines Wissens nichts. Aluminium scheidet wegen Korrosion im sauren Milieu und der eventuell übertretenden Al-Ionen (Alzheimerähnliche Symptome) aus. Verzinkte Rohre No-Go. Alle Kunststoffe sowieso nicht. Ausnahme Hochtemperatur-PTFE. Gibt es aber in der Dimensionierung nicht für den Hobbybastler. Mit Bleihaltiger Glasur gebrannte Keramik fällt aus. Gold geht, aber wer sich das leisten kann, der kaufe sich eine Destillerie in Schottland.
3. Prinzipien des Kolonnenaufbaus, Packungsunabhängig
Hier ein Copy-and Paste eines älteren Beitrages von mir, um VM,LM und CM klarzustellen.
3.1 CM (engl. für coolant Management = Kühlflüssigkeitsmanagement)
Ein offenes System, das oben in der Kolonne mittels geeignetem Kondensator (Kühlfinger, einfach- oder gegenläufig gewickelte Spirale, Plattenkondensator, u.s.w. mit jeweiligen Vor- und Nachteilen) das Kondensat zurückschickt. Ist das System im Gleichgewicht - das dauert einige Minuten - ziehst Du OBERHALB Dampf ab, indem Du die Kühlleistung reduzierst, bis ein bisschen Dampf vorbei schlüpfen kann. Den kondensierst Du mit Deinem Produktkondensator und da hast Du Deinen max. 95,6 %-igen Stoff.
3.2 VM = Vapor management
Hier reguliert man die abgezogene Menge DAMPF mittels beilspielsweise Sperrschieber. Kühlung/Reflux bleibt konstant. Sinnvoll, wenn Du mit einem sich aufheizendem geschlossenen Kühlkreislauf arbeitest, der sonst immer nachgeregelt werden müsste oder über einen großen Puffer verfügen muss. Gefahr: Druckaufbau im System mit allen daraus folgenden Konsequenzen. (Verschiebung Siedediagramm, im Extremfall Explosion, also IMMER geeignete Druckentlastung vorsehen!)
3.3 LM = Liquid Management
Hier wird unterhalb der Refluxeinheit eine Kondensatfalle eingebaut, die es Dir ermöglicht, einen Teil (ca10%) des Refluxes schon in flüssiger Form mittels z.B. Nadelventil abzuziehen.
Vorteil: Der Produktkondensor entfällt
Nachteil: siehe oben, außerdem ist Dein Produkt ziemlich warm, der Engelsanteil steigt und die %-Messung beispielsweise in einer Vorlage muss temperaturkorreliert werden.
Der komplette Beitrag findet sich hier:
http://www.schnapsbrennen.at/diskussion/20121117192553-01-03-01-01-02.html#20121117192553-01-03-01-01-02
4. Packungsmaterialien
Wie bekannt, ist die Oberfläche ein Schlüsselfaktor. Weiters muss es Inert, leicht durchgängig und idealerweise leicht reinigbar und günstig sein.
4.1 Raschigringe
Raschigringe gibt es in allen Größen und Materialien, teilweise für die chem. Industrie. Gibt es aus Glas (Kann man sich auch aus dünnen Glasröhrchen selbst schneiden), Keramik (Im Aquariumbedarf als Oberfläche für Biofilmfilter) oder Edelstahl. Funktionieren, haben aber in meinen Augen in unseren Dimensionen nicht genug Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. Gibt es auch PTFE-Beschichtet.
4.2 Edelstahlmatten
Können als Gaze leicht bezogen werden. Können längs gerollt oder übereinander gestapelt werden, dann schon fast ein Sieb/Plattenbaum, also physikalische, keine Virtuellen Platten.
4.3 Edelstahltopfschrubber
Gibt es auch in Kupfer, Messing NICHT nehmen, nicht auf ähnlich assehende Plastikteile hereinfallen! Damit fahre ich zur Zeit, funktioniert gut. In meinen Glasröhren gibt es allerdings keinen Kupferkontakt!
4.4 Kieselsteine/Schotter
Nicht empfehlenswert wegen des schlechten Oberflächenverhältnisses, funktionieren nur schlecht
4.5 Lustige doppelkegelförmige Spiraldingsbumse, Name mir leider entfallen, der letzte Schrei aus der chem. Industrie. Keine Erfahrungswerte
4.6 Diverse poröse Gesteinsschotter vulkanischen Ursprungs
Der letzte Schrei in div. russischen und auch anerikanischen (globalen) Foren, sollen sehr gut/besser als Topfschrubber funktionieren. Wird demnächst ausprobiert, liegt schon in der Garage. Habe Angst um Aromaverschleppung aufgrund der schwammartigen Struktur...
4.7 Buckyballs
Teflonbeschichtete Bälle mit dreidimensionaler Netzstruktur, nur in der Industrie angewendet, ähnlich den Plastikbällen für Teich-Biofilm-Filter.
4.8 gebranntes Tongranulat für Hydroponikpflanzsysteme
Keine Erfahrungswerte
5. Physikalische Plattenbäume und Glockenböden
Hier reden wir nicht mehr von virtuellen sich aufbauenden Platten, sondern von Tatsächlichen. Und das ist auch das Problem. Die Abstände müssen passen! Bei Glockenböden können die sich bildenden Fraktionen bei geeigneter Ableitung aus der Kolonne sogar einzeln abgezogen oder zirkuliert werden. Ähnlich dem Cracking-Prozess in der Petrochemie.
5.1 Plattenbäume
Auf eine Edelstahlgewindestange werden mit kleinen Löchern versehene Kupferplatten in ca 7 cm Abstand (Je nach Kolonne) horizontal aufgezogen. Der Reflux tropft durch die Platten und die Rektifikation findet (auf der Tropfenoberfläche selbst) und den jeweiligen Platten statt. Lochanzahl, Durchmesser und Plattenabstand sind kritisch. Funktioniert ganz gut. Kupferplatten müssen sauber in die Kolonne eingepasst werden. Gut Reinig- Entfern- Variierbar.
5.2 Glockenböden
Sehr schwer ohne Zeichnung zu erklären. Prinzipiell hintereinandergeschaltete Pfannen mit nach unten offenen und oben in die Pfanne hineinstehenden Nippeln, die so offen mit einer Endkappe versehen sind, dass der von unten aufsteigende Dampf durch den sich in der Pfanne bildenden Destillatsee gehen muss. Überschüssiges Kondensat läuft durch die Nippel in die darunterliegende Pfannne, der Prozess beginnt von Neuem, entlang des entstehenden Temperaturgradienten. Spannend zuzuschauen, blubbert toll, sehr effektiv. Bei geeigneter Ablaufmöglichkeit können einzelne Glockenböden "Gemolken" oder Rückgeführt werden. Kritischer Faktor ist die Anzahl der Glockenböden und deren Abstand voneinander. Gut aus vorhandenem Kupferinstallationsbedarf aus dem Baumarkt herzustellen, aber sehr arbeitsintensiv. Was für echte Bastler mit Absolutheitsanspruch, mit Schaugläsern versehen der absolute Knaller. Oft allerdings aufgrund schlecht abschätzbarer Glockenbödenabstände nicht so effektiv wie virtuelle Platten, meine persönliche Erfahrung. Glockenbödenkolonnen gibt es bei Glasbläsern auch fertig in Normschliff zu kaufen, da sogar mit Vakuummantel, Reflektionsbedampft und mit Sichtstreifen. Unter 400€ gebraucht habe ich noch keine gesehen. Professionelle Destillen sind oft mit einigen Glockenböden ausgerüstet, eine ist glaube ich sogar in der Photogallerie zu bewundern. 3-4 Glockenböden reichen NICHT für Azeotrop!
So, das war´s erst mal von mir, konstruktive Beiträge sind willkommen. Thread wird bei neuen Erkenntnissen und Bedarf weitergeführt und ausgebaut oder korrigiert, wenn jemand Fehler findet. Hoffe, das hilft einigen Interessierten weiter, sind gesammelte Informationen von einigen Jahren... Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie
behalten. Weitere Veröffentlichung nur mit Referenz oder Genehmigung.
Mit blutenden Fingern, Hydroxyethan
Wer hier weiterliest oder schreibt, sollte das Grundprinzip der Rektifikation begriffen haben und mit dem Begriff HETP, Reflux und Packungsmaterial etwas anfangen können... Vielleicht bekommen wir ja so etwas wie den ultimativen Kolonnenthread hin? Oder eine schöne Linksammlung?
1. Kolonnendimensionierung
Die Berechnung erfolgt anhand der Van-Deemter Formel, wobei Länge, Durchmesser, Heizleistung und die Oberfläche des jeweils verwendeten Packungsmaterials Haupteinflussfaktoren sind. Der bis dato beste von mir gefundene Link zu einem Berechnungstool findet sich hier:
http://homedistiller.org/calcs/hetp_calc
Ein grafisch animierter Link für Einsteiger findet sich hier:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/7/tc/rektifikation/praktikum/rektifikation_praktikum.vlu/Page/vsc/de/ch/7/tc/rektifikation/praktikum/einfuehrung/kolonne.vscml.html
Grundsätzlich lässt sich sagen: Hohe Durchmesser bringen hohe Volumen/Zeit-werte, Hohe Längen bringen hohe Konzentrationen. Ab ca 10 HETP ist aber eine Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben. Die Brennblase wird immer als die erste theoretische Platte angesehen. Reflektionsbedampfte Vakuummantelkolonnen sind ultimo ratio, isoliertes Glas, Glas, isoliertes Edelstahl oder Kupfer oder gar keine Isolation gehen in absteigender Reihenfolge auch. Je geringer der K-Wert (Isolation), desto höher der Energieverlust aufgrund von Strahlung und Konvektion, desto geringer die Effizienz, desto gepresster die HETP. Kolonnen sind bei gewünschten hohen Prozenten IMMER wirtschaftlicher als mehrmaliges hintereinander destillieren mit einfachen Pot-Stills. Aktiver Reflux macht die Kolonne erst richtig interessant, dabei liegt das angestrebte Verhältnis von Reflux zu abgezogenem Volumen bei ca. 1:7 bis 1:10. Geringere Werte gehen natürlich, bringen Hybridergebnisse. Die Refluxeinheit sollte so dimensioniert werden, dass sie allen Dampf, den das Heizelement liefert, niederhauen kann. Zum Equilibrieren wichtig! Der Reflux muss mittig in die verwendete Packung einfließen, da er sonst innen an der Kolonnenwand unter Umgehung der Packung abfließt und nicht die max. Rektifikation erfahren kann. Dies gilt nicht bei Glockenböden oder Sieb/Plattenböden, aus offensichtlichen Gründen. Dazu nachher mehr. Es ist IMMER eine geeignete Druckentlastung vorzusehen, vor allem
bei Vapor-management (VM) und Liquid-Management (LM) Systemen. Coolant-management-Systeme sind konstruktionsbedingt offen. Offen heißt, dass auch eine eventuell benutzte Vorlage vor dem "U" belüftet sein muss! Kolonnen können bei Refluxerhöhung im Druck NEGATIV werden, wenn der Dampf kollabiert. Das saugt mächtig! Dies gilt
übrigens genauso für den Produktkondenser, so denn keine LM. Die Packungsdichte sollte nicht zu hoch sein, das erhöht den Srömungswiderstand, das Unfallrisiko und verschiebt das Siedediagramm. Kolonnen sollten nicht durch sie quer durchgeführte Leitungen in Ihrer Thermodynamik gestört werden. Zumindest nicht im effektiven Packungsbereich.
2. Materialien
2.1 Glas
Die Vorteile:
Glas ist Inert, keine Reaktion mit dem Destillat, Hitzestabil (Borosilikat ist natürlich TOP) und man hat einen direkten Blick auf die Action. Besser als Fernsehen!
Ein Reinigungsbedarf (Beispielsweise Kupfersulfatniederschlag an der Kupferrefluxspule, hübsch blau, bei geschwefeltem Wein oder Böckser-Maischen) oder Überkochen kann sofort erkannt werden. Der Wärmeleitwert von Glas ist gering, das ist energiesparend und gut für die HETP bei virtuellen Platten. Keine Oxidbildung, die Reinigung gestaltet sich einfach. Ersatzröhren für Gasgartenkamine bieten sich von den Dimensionierungen her an.
Die Nachteile:
Glas ist fragil, wer hätte das gedacht... und das kann beim Reinigen oder Anstoßen leicht passieren. Im Betrieb der SuperGAU! Glas ist schwer. Glas ist umständlich zu bearbeiten, man braucht geeignetes Werkzeug oder Hilfe von einem Glaser oder Glasbläser, der sein Handwerk versteht. Gute Planung kann das Problem umgehen. Glas kann, muss nicht, teuer sein. Prinzipiell sind Glasröhren im Netz aber in jeder Dimension leicht aufzutreiben. Glas hat einen unterschiedlichen Wärmedehnungskoeffizienten als weitere verwendete Materialien. Das erschwert die Dichtung und kann, wenn die Glasröhren in Flansche eingespannt sind, zum Spannungsbruch beim Hochheizen führen. Also Spannfedern einplanen! Oder dickere Dichtungen/Dehnungsfugen! Glas entfernt im Betrieb keine Schwefelverbindungen wie Kupfer.
2.2 Kupfer
Die Vorteile:
Kupfer ist überall in Rohren oder als Blech verfügbar. Kupferverschweisste (Seamless) Regenfallrohre in 7 oder 10 cm bieten sich an, Die Verarbeitung gestaltet sich einfach. Kupfer IMMER mit bleifreiem Sanitärlot löten, Silberhartlot ist noch besser, wer´s denn kann. Bei Hartlot sind viel höhere Temperaturen notwendig. Kupfer entfernt Sulfate durch Kupfersulfatbildung. Dünne 0,6er Fallrohre sind leicht. Bei Kupfer lässt sich das Design leicht anpassen/verändern. Kupfer ist hübsch, poliert oder mit Patina.
Die Nachteile:
Kupfer ist zur Zeit auch nicht gerade billig. Dicke Wandstärken sind schwer. Kupfer hat einen hohen Wärmeleitwert, es sollte also isoliert werden. Kupfer ist undurchsichtig, mit Aufwand lassen sich jedoch Sichtfenster/Schaugläser einarbeiten. Kupfer muss häufiger gereinigt werden. Kupfer ist nicht ganz unempfindlich gegen
Korrosion, vor allem in Verbindung mit Eisen oder mit in geringen Mengen im Dampf immer vorhandenen Säuren. Auch Edelstahltopfschrubber als Packung sollen mit der Kupferwand der Kolonne reagieren, elektrische Korrosion.
2.3 Edelstahl, meist V2A (18/10 bzw. AISI 304, bzw. X5CrNi18-10) oder V4A, andere Legierungen möglich
Die Vorteile:
Super Zeugs, je nach Legierung sehr inert/resistent. In allen Dimensionen frei verfügbar. Hübsch. Hält 10 Generationen. Minimum. Hat einen schlechten Wärmeleitwert, gut für Kolonnen. Div. Fittinge fertig verfügbar. Als Gewinderohre zu beziehen.
Die Nachteile:
Teuer! Mit normalem Elektroden-billig-Schweißgerät nicht zu verarbeiten. Nicht, oder nur sehr, sehr schwer und mit geeignetem Flussmittel weichzulöten, je nach Legierung und Oberflächenveredlung/Passivierung. V4A enthält Molybdän, das lehnen Puristen ab.
2.4 Alle anderen Materialien
Keramik würde vielleicht gehen, gibt es aber meines Wissens nichts. Aluminium scheidet wegen Korrosion im sauren Milieu und der eventuell übertretenden Al-Ionen (Alzheimerähnliche Symptome) aus. Verzinkte Rohre No-Go. Alle Kunststoffe sowieso nicht. Ausnahme Hochtemperatur-PTFE. Gibt es aber in der Dimensionierung nicht für den Hobbybastler. Mit Bleihaltiger Glasur gebrannte Keramik fällt aus. Gold geht, aber wer sich das leisten kann, der kaufe sich eine Destillerie in Schottland.
3. Prinzipien des Kolonnenaufbaus, Packungsunabhängig
Hier ein Copy-and Paste eines älteren Beitrages von mir, um VM,LM und CM klarzustellen.
3.1 CM (engl. für coolant Management = Kühlflüssigkeitsmanagement)
Ein offenes System, das oben in der Kolonne mittels geeignetem Kondensator (Kühlfinger, einfach- oder gegenläufig gewickelte Spirale, Plattenkondensator, u.s.w. mit jeweiligen Vor- und Nachteilen) das Kondensat zurückschickt. Ist das System im Gleichgewicht - das dauert einige Minuten - ziehst Du OBERHALB Dampf ab, indem Du die Kühlleistung reduzierst, bis ein bisschen Dampf vorbei schlüpfen kann. Den kondensierst Du mit Deinem Produktkondensator und da hast Du Deinen max. 95,6 %-igen Stoff.
3.2 VM = Vapor management
Hier reguliert man die abgezogene Menge DAMPF mittels beilspielsweise Sperrschieber. Kühlung/Reflux bleibt konstant. Sinnvoll, wenn Du mit einem sich aufheizendem geschlossenen Kühlkreislauf arbeitest, der sonst immer nachgeregelt werden müsste oder über einen großen Puffer verfügen muss. Gefahr: Druckaufbau im System mit allen daraus folgenden Konsequenzen. (Verschiebung Siedediagramm, im Extremfall Explosion, also IMMER geeignete Druckentlastung vorsehen!)
3.3 LM = Liquid Management
Hier wird unterhalb der Refluxeinheit eine Kondensatfalle eingebaut, die es Dir ermöglicht, einen Teil (ca10%) des Refluxes schon in flüssiger Form mittels z.B. Nadelventil abzuziehen.
Vorteil: Der Produktkondensor entfällt
Nachteil: siehe oben, außerdem ist Dein Produkt ziemlich warm, der Engelsanteil steigt und die %-Messung beispielsweise in einer Vorlage muss temperaturkorreliert werden.
Der komplette Beitrag findet sich hier:
http://www.schnapsbrennen.at/diskussion/20121117192553-01-03-01-01-02.html#20121117192553-01-03-01-01-02
4. Packungsmaterialien
Wie bekannt, ist die Oberfläche ein Schlüsselfaktor. Weiters muss es Inert, leicht durchgängig und idealerweise leicht reinigbar und günstig sein.
4.1 Raschigringe
Raschigringe gibt es in allen Größen und Materialien, teilweise für die chem. Industrie. Gibt es aus Glas (Kann man sich auch aus dünnen Glasröhrchen selbst schneiden), Keramik (Im Aquariumbedarf als Oberfläche für Biofilmfilter) oder Edelstahl. Funktionieren, haben aber in meinen Augen in unseren Dimensionen nicht genug Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. Gibt es auch PTFE-Beschichtet.
4.2 Edelstahlmatten
Können als Gaze leicht bezogen werden. Können längs gerollt oder übereinander gestapelt werden, dann schon fast ein Sieb/Plattenbaum, also physikalische, keine Virtuellen Platten.
4.3 Edelstahltopfschrubber
Gibt es auch in Kupfer, Messing NICHT nehmen, nicht auf ähnlich assehende Plastikteile hereinfallen! Damit fahre ich zur Zeit, funktioniert gut. In meinen Glasröhren gibt es allerdings keinen Kupferkontakt!
4.4 Kieselsteine/Schotter
Nicht empfehlenswert wegen des schlechten Oberflächenverhältnisses, funktionieren nur schlecht
4.5 Lustige doppelkegelförmige Spiraldingsbumse, Name mir leider entfallen, der letzte Schrei aus der chem. Industrie. Keine Erfahrungswerte
4.6 Diverse poröse Gesteinsschotter vulkanischen Ursprungs
Der letzte Schrei in div. russischen und auch anerikanischen (globalen) Foren, sollen sehr gut/besser als Topfschrubber funktionieren. Wird demnächst ausprobiert, liegt schon in der Garage. Habe Angst um Aromaverschleppung aufgrund der schwammartigen Struktur...
4.7 Buckyballs
Teflonbeschichtete Bälle mit dreidimensionaler Netzstruktur, nur in der Industrie angewendet, ähnlich den Plastikbällen für Teich-Biofilm-Filter.
4.8 gebranntes Tongranulat für Hydroponikpflanzsysteme
Keine Erfahrungswerte
5. Physikalische Plattenbäume und Glockenböden
Hier reden wir nicht mehr von virtuellen sich aufbauenden Platten, sondern von Tatsächlichen. Und das ist auch das Problem. Die Abstände müssen passen! Bei Glockenböden können die sich bildenden Fraktionen bei geeigneter Ableitung aus der Kolonne sogar einzeln abgezogen oder zirkuliert werden. Ähnlich dem Cracking-Prozess in der Petrochemie.
5.1 Plattenbäume
Auf eine Edelstahlgewindestange werden mit kleinen Löchern versehene Kupferplatten in ca 7 cm Abstand (Je nach Kolonne) horizontal aufgezogen. Der Reflux tropft durch die Platten und die Rektifikation findet (auf der Tropfenoberfläche selbst) und den jeweiligen Platten statt. Lochanzahl, Durchmesser und Plattenabstand sind kritisch. Funktioniert ganz gut. Kupferplatten müssen sauber in die Kolonne eingepasst werden. Gut Reinig- Entfern- Variierbar.
5.2 Glockenböden
Sehr schwer ohne Zeichnung zu erklären. Prinzipiell hintereinandergeschaltete Pfannen mit nach unten offenen und oben in die Pfanne hineinstehenden Nippeln, die so offen mit einer Endkappe versehen sind, dass der von unten aufsteigende Dampf durch den sich in der Pfanne bildenden Destillatsee gehen muss. Überschüssiges Kondensat läuft durch die Nippel in die darunterliegende Pfannne, der Prozess beginnt von Neuem, entlang des entstehenden Temperaturgradienten. Spannend zuzuschauen, blubbert toll, sehr effektiv. Bei geeigneter Ablaufmöglichkeit können einzelne Glockenböden "Gemolken" oder Rückgeführt werden. Kritischer Faktor ist die Anzahl der Glockenböden und deren Abstand voneinander. Gut aus vorhandenem Kupferinstallationsbedarf aus dem Baumarkt herzustellen, aber sehr arbeitsintensiv. Was für echte Bastler mit Absolutheitsanspruch, mit Schaugläsern versehen der absolute Knaller. Oft allerdings aufgrund schlecht abschätzbarer Glockenbödenabstände nicht so effektiv wie virtuelle Platten, meine persönliche Erfahrung. Glockenbödenkolonnen gibt es bei Glasbläsern auch fertig in Normschliff zu kaufen, da sogar mit Vakuummantel, Reflektionsbedampft und mit Sichtstreifen. Unter 400€ gebraucht habe ich noch keine gesehen. Professionelle Destillen sind oft mit einigen Glockenböden ausgerüstet, eine ist glaube ich sogar in der Photogallerie zu bewundern. 3-4 Glockenböden reichen NICHT für Azeotrop!
So, das war´s erst mal von mir, konstruktive Beiträge sind willkommen. Thread wird bei neuen Erkenntnissen und Bedarf weitergeführt und ausgebaut oder korrigiert, wenn jemand Fehler findet. Hoffe, das hilft einigen Interessierten weiter, sind gesammelte Informationen von einigen Jahren... Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie
behalten. Weitere Veröffentlichung nur mit Referenz oder Genehmigung.
Mit blutenden Fingern, Hydroxyethan